Auf der Strecke jagt er von Rekord zu Rekord. Abseits der Piste nutzt er seinen sportlichen Erfolg im Kampf für mehr Vielfalt und Gerechtigkeit. Ein Blick auf die rasante Karriere von Lewis Hamilton.
Schon in jungen Jahren blitzte das Talent von Lewis Hamilton auf – dass die Reise jedoch an die Spitze der Formel 1 führen würde, hätte zunächst sicher keiner gedacht. Und doch thront der 36-Jährige spätestens mit dem Gewinn seines siebten Weltmeistertitels endgültig an der Spitze des Motorsports. Als Rekordweltmeister neben Michael Schumacher ist Hamilton jedoch noch lange nicht am Ziel. Mit zunehmendem sportlichen Erfolg setzt sich der Brite auch verstärkt für mehr Diversität und Nachhaltigkeit ein. „Titel zu gewinnen ist großartig, aber ich möchte für meine Arbeit zur Gestaltung einer gleichberechtigten Gesellschaft durch Bildung in Erinnerung bleiben. Das ist es, was mich antreibt.“ Durch sein Engagement als Vorbild und seine außergewöhnlichen sportlichen Leistungen wurde Hamilton Anfang 2021 eine besondere Ehre zuteil: die Ernennung zum Knight Bachelor. Die Ehrung ist keinesfalls das letzte Kapitel einer einzigartigen Geschichte, sondern versteht sich als Ansporn, den eingeschlagenen Weg noch zu intensivieren. Auf und neben der Rennstrecke.
Steckbrief
Daten, Fakten & Rekorde
- Geboren: 07.01.1985
- Geburtsort: Stevenage, England
- Erster Start: Australien GP 2007
- Starts: 266
- Siege: 95
- Poles: 98
- WM-Titel: 7
Bereits als Kind verschmolzen für Lewis die Grenzen zwischen kindlicher Begeisterung und harter Realität. „Ich erinnere mich, dass ich von der Schule aufgeregt nach Hause kam, um Kart fahren zu gehen, und mein Vater mir sagen musste, dass wir nicht genug Geld hatten, um diese Woche zu fahren.“ Doch die Familie gab alles, um dem jungen Talent das Kartfahren zu ermöglichen, teilweise arbeitete Vater Anthony in mehreren Jobs gleichzeitig. „Ich hatte das große Glück, dass mein Vater mich ermutigte, meine Träume zu verfolgen und niemals aufzugeben.“ Die Hartnäckigkeit zahlte sich aus. Mit acht Jahren begann die aufstrebende Karriere im Kart und bereits zwei Jahre später gewann Hamilton die britischen Meisterschaften der Rennserie. Das offensichtliche Talent blieb nicht lange unbemerkt: Mit 13 Jahren wurde der junge Rennfahrer in das Nachwuchs-Förderprogramm von McLaren aufgenommen und somit Teil der Mercedes-Familie. In Ron Dennis, dem ehemaligen Teamchef von McLaren, fand Hamilton früh einen starken Förderer. Er war es auch, der Lewis persönlich in das Förderprogramm aufnahm. Unbekannt sind sich die beiden zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. Drei Jahre zuvor trafen sie sich zufällig bei einem Event: Der damals zehnjährige Hamilton bat Ron Dennis um ein Autogramm und fügte hinzu, dass er später gerne unter ihm in der Formel 1 starten wolle. Er sollte seinen Traum in die Tat umsetzen.
Zuvor durchlief das aufstrebende Talent die Formel Renault und Formel-3-Rennserie, die er jeweils mit dem Gewinn der Meisterschaft verließ. 2006 wechselte er in die höhere GP2-Serie und brillierte auch hier. Mit der nächsten Meisterschaft im Gepäck gab es nur noch ein Ziel: die Formel 1. Viel Zeit zur Eingewöhnung blieb dem ehrgeizigen Briten jedoch nicht. Ron Dennis präsentierte Hamilton Ende 2006 neben Weltmeister Fernando Alonso als zweiten Fahrer im McLaren-Cockpit. Für Lewis bedeutete dies bereits in seiner Debütsaison durchgehende mediale Präsenz. Den damit verbundenen Druck ließ sich die neue Motorsporthoffnung nicht anmerken. Stattdessen präsentierte sich Hamilton direkt im ersten Rennen angriffslustig. Am Ende sprangen der dritte Platz und das beste Debüt seit dem zweiten Platz von Jacques Villeneuves im Jahr 1996 heraus. Es war der Beginn einer unglaublichen Premierensaison, die nach vier zweiten Plätzen mit dem ersten Sieg in Kanada ihren vorläufigen Höhepunkt fand. Es sollte nicht der letzte sein.
"Ich sehe Toto als einen Freund, auf der anderen Seite ist er aber auch mein Chef."
Mit für seine Konkurrenz beängstigender Abgeklärtheit setzte Hamilton seinen Lauf fort und es folgten weitere Siege in den USA, Ungarn sowie Japan. Die Sensation des ersten WM-Titels in seiner Debütsaison war zum Greifen nah. Mit großem Vorsprung und nur noch zwei ausstehenden Rennen hatte Lewis den Titel bereits vor Augen – doch es kam anders. Nach zwei unglücklichen Fehlern blieb Hamilton der ganz große Erfolg verwehrt. Am Saisonende stand die Vizemeisterschaft – aber auch die Gewissheit, sich mit den besten Fahrern und Teams messen zu können. Doch schon damals kommentierte der junge Formel-1-Neuling seine erste Saison routiniert: „Ich schaue nach vorn und kann es gar nicht abwarten, wieder im Auto zu sitzen. Ich bin erhobenen Hauptes nach Hause zurückgekommen, weil ich als WM-Zweiter viel mehr erreicht habe, als ich und alle anderen erwartet hatten.“
Entsprechend euphorisch startete Hamilton in die Saison 2008 und steuerte nach erfolgreichem Saisonverlauf erneut auf ein dramatisches Finale zu. Dieses Mal mit einem glücklichen Ende für den Briten. Mit einer spektakulären Aufholjagd im letzten Rennen in Brasilien krönte sich Hamilton zum jüngsten Weltmeister der Geschichte. Einen Rekord, den er erst 2010 an Sebastian Vettel abtreten musste. In der letzten Kurve zog der Brite auf nasser Strecke an Timo Glock vorbei und sicherte sich mit dem fünften Platz den nötigen Punkt Vorsprung im Titelkampf mit Felipe Massa. Der Brasilianer gewann sein Heimspiel und sah für einige Sekunden bereits wie der sichere Weltmeister aus. Umso emotionaler war der erste Titelgewinn auch für den frischgekrönten Hamilton: „So etwas habe ich noch nie erlebt, weder als Fahrer noch als Zuschauer – man kann eigentlich nur sagen, dass das wohl Schicksal war.“
Schicksalhaft war auch der Wechsel zu Mercedes 2013. Die Marke mit dem Stern war 2010 mit eigenem Werksteam in die Königsklasse des Motorsports zurückgekehrt. Unter der Leitung von Teamchef Toto Wolff entwickelten sich die Silberpfeile schnell zu einem echten Titelanwärter. Von 2014 bis 2020 gewann allein Hamilton sechs weitere Weltmeisterschaften und musste sich 2016 nur Teamkollege Nico Rosberg geschlagen geben. Ein wichtiger Faktor war auch Hamiltons vertrauensvolle Beziehung zu Toto Wolff: "Ich sehe Toto als einen Freund, auf der anderen Seite ist er aber auch mein Chef. Er ist sehr fair und ein großartiger Anführer innerhalb unseres Teams.“ Der Österreicher schenkte Hamilton das nötige Vertrauen, sich auch Projekten außerhalb des Rennsports zu widmen.
Der Fahrer nutzte die Freiheit und zog daraus viel Kraft, die er in Erfolg auf der Rennstrecke verwandelte. „Mich abseits der Rennstrecke kreativ auszudrücken, hilft mir, mich zu konzentrieren und hält mich vor jedem Rennwochenende frisch.“ Ein Talent, das auch Toto Wolff früh entdeckte: „Er kann seine Ressourcen unglaublich gut einschätzen. Deshalb mache ich mir überhaupt keine Sorgen.“ Und an kreativen Ideen mangelte es dem Briten nicht. Neben einer eigenen Modekollektion und selbst geschriebenen Liedern zählt auch ein 2020 gegründeter elektrischer Rennstall zum Repertoire des talentierten Weltmeisters. Unter dem Namen „X44“, eine Anspielung an Hamiltons Startnummer, tritt das Team in der elektrischen Offroad-Rennserie Extreme E an. Das Besondere: Die rein elektrische Rallye-Serie findet nur an Orten statt, an denen der Einfluss des Klimawandels besonders spürbar ist, wodurch die Veranstalter der Serie weiter für das Thema sensibilisieren möchte.
"Im Moment habe ich nicht das Gefühl, dass ich hier schon fertig bin. Ich liebe das Rennfahren. Ich liebe die Herausforderung."
Seit Jahren engagiert sich Hamilton zudem für gesellschaftliche Themen und prangert Versäumnisse an. Besonders intensiv setzt er sich für mehr Diversität ein – auch in der Formel 1. Unterstützung bei seinem Streben nach mehr Diversität im Motorsport erhält er dabei von seinem Team und der Mercedes-Benz Group AG. Ola Källenius, der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens, sagte dazu: "Lewis setzt sich leidenschaftlich für mehr Vielfalt und Inklusion ein und hat konkrete Schritte unternommen, um dieses wichtige Thema voranzutreiben. Als Team und als Unternehmen stehen wir ihm dabei voller Überzeugung zur Seite." Im vergangenen Jahr verpflichtete sich der Mercedes-Rennstall mit einer schwarzen Lackierung des normalerweise silbernen Rennboliden öffentlich zu mehr Vielfalt; und auch in diesem Jahr wird das Formel-1-Auto wieder eine schwarze Grundlackierung haben. Das Team hat sich dabei unter anderem zum Ziel gesetzt, dass bis Ende 2025 mindestens ein Viertel aller neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus unterrepräsentierten Gruppen stammen. Hamilton selbst hat bereits eine eigene Kommission zur Förderung der Diversität einberufen. Das vierzehnköpfige Expertenteam identifiziert die Gründe der fehlenden Inklusion junger Schwarzer in der Formel 1. Der engagierte Weltmeister erhofft sich dadurch, längst überfällige Veränderungen zu beschleunigen: "Die Formel-1-Teams sind viel größer als nur die Sportler, die im Rampenlicht stehen, aber die Vertretung ist über alle Bereiche hinweg nicht ausreichend – von der Box bis zu den Ingenieuren in den Werken und Designabteilungen. Die Veränderungen erfolgen nicht schnell genug und wir müssen herausfinden, woran das liegt."
Seine sportlichen Ziele rücken dabei keinesfalls in den Hintergrund, wie er 2020 erneut bewiesen hat. Mit seinem siebten WM-Gewinn ist Hamilton mit Formel-1-Legende Michael Schumacher gleichgezogen und teilt sich nun mit diesem den Titel Rekordweltmeister. Den Titel als Rekordweltmeister würde er aber bereits 2021 gerne für sich alleine beanspruchen: "Im Moment habe ich nicht das Gefühl, dass ich hier schon fertig bin. Ich liebe das Rennfahren. Ich liebe die Herausforderung. Und ich glaube nicht, dass sich das allzu bald ändern wird."