Es ist nicht allzu häufig vorgekommen, dass sich eine ungelernte Köchin einen Stern des MICHELIN Guide erarbeitet hat. Die Thailänderin Dalad Kambhu hat dies in Rekordzeit geschafft. Sie nimmt uns mit in ihre Wahlheimat Berlin und erzählt uns von starken Frauen und populären Missverständnissen.
Für Dalad Kambhu ist Berlin im Vergleich zu Paris, London oder New York eine sehr grüne Stadt. Die Gegend um den Berliner Hauptbahnhof kann diese These allerdings nicht stützen, im Gegenteil. Dominant erheben sich Beton, Stahl und Glas in den blauen Himmel. Die Straßen und Fassaden sehen wie frisch gefegt und anschließend abgeduscht aus. Ein Traum für Architekten mit Affinität zu urbanen Strukturen und klaren Formen. Grün ist hier nur Kambhus Jacke, über die sie lässig ihren Rucksack trägt.
Während die Sterneköchin für die neueste Episode der „High Performance Chef“-Serie – eine Kooperation zwischen AMG und dem MICHELIN Guide – durch die Bertha-Benz-Straße läuft, ist es verblüffend, welche Gemeinsamkeiten die beiden Frauen einen. Bertha Benz, der erste Mensch, der jemals ein Auto über eine längere Strecke fuhr, auf der einen Seite. Dalad Kambhu, thailändische Köchin und eine der sehr wenigen Frauen, die einen Stern vom MICHELIN Guide verliehen bekamen, auf der anderen. Kambhu ist vielleicht keine Pionierin wie die Ehefrau von Carl Benz, dem Erfinder des Benz-Patent-Motorwagens aus dem Jahr 1886. Wie Bertha Benz hat sie sich jedoch auf ihrem Weg nie beirren lassen und sich in einer von Männern dominierten Welt ihren Platz erarbeitet.
Geboren in Austin, USA, und aufgewachsen in Bangkok, Thailand, bekommt Dalad Kambhu ihren Kampfgeist quasi als Familienerbe in die Wiege gelegt. Während ihre Urgroßmutter die erste weibliche Unternehmerin des patriarchalisch geprägten Landes in Südostasien war, hat ihre Großmutter die Familie mit klarer Hand geführt: Ein „Ja“ bedeutete ja und ein „Nein“ bedeutete nein. Sie hatte das letzte Wort und damit Schluss!
Diese Durchsetzungsfähigkeit besitzt auch Dalad Kambhu: „Wenn man mit solch starken Frauen aufwächst, gibt das einem den Glauben und das Wissen, dass man alles erreichen kann, was man will. Ich weiß nicht, ob mich die Frauen in meiner Familie angetrieben haben, aber sie haben mein Fundament gesetzt. Das Fundament, das ich benötige, um eine Frau mit einer Stimme und Selbstvertrauen zu sein.“
Dalad geht mit Anfang 20 zum Studieren nach New York. Sie arbeitet teils ohne Bezahlung in Restaurants, um das Handwerk als Köchin zu erlernen. Der Weg in die Küche wird ihr jedoch versperrt: „Ich wurde nie als Köchin in der Gastronomiebranche ausgebildet, da man mich nicht in der Küche haben wollte. Man wollte mich nur als Kellnerin oder im Service, um einen guten Eindruck zu machen.“ Da ihr die Aromen aus ihrer Heimat fehlen, beginnt sie für sich und ihre Freunde die Gerichte zu Hause zu kochen. Und ihre Freunde wollen mehr. So bringt sie sich das nötige Rüstzeug eben selbst bei.
Als sich 2016 über Umwege die Möglichkeit auftut, in Berlin ein eigenes Restaurant zu eröffnen, bricht die Thailänderin ihre Zelte in New York ab und stellt sich der neuen Herausforderung. 2017 eröffnet Kambhu das Restaurant „Kin Dee“ – auf Deutsch „gut essen“ – in der Lützowstraße, Nähe Potsdamer Platz, und verköstigt ihre Kundschaft fortan mit traditionellen thailändischen Aromen.
Neben Gleichberechtigung ist Nachhaltigkeit für die junge Köchin ein wichtiges Thema. Daher benutzt sie für ihre selbstgemachten Curry-Pasten weitestgehend frische, lokale Produkte in Bio-Qualität: „Ich werde mein Bestes geben, um achtsam zu sein und das Richtige zu tun. Hoffentlich wird das nach unten durchsickern, sich nach oben ausbreiten oder anderweitig die Leute beeinflussen. Wir alle sollten nachhaltiger sein!“
Rezept-Download
Exklusiv für Sie, die Mitglieder der AMG Private Lounge: Dalad Kambhus Rezepte "Knollensellerie-Pickle" und "Tom-Kha-Suppe" zum Download. Viel Spaß beim Nachkochen!
Angesprochen auf die größte Fehlannahme in Bezug auf die thailändische Küche, erzählt uns Dalad Kambhu von dem Irrglauben vieler Menschen, dass Thai-Food eher Street-Food sei. Das ist aber nicht der Fall: „Das beste thailändische Essen gibt es bei den Leuten zu Hause. Und jede Familie hat ihre eigenen Gerichte. Viele Touristen haben jedoch keinen Zugang dazu. Sie können also nicht wissen, wo sie authentische thailändische Gerichte bekommen. Deshalb möchten wir einen Ort schaffen, an dem sich die Leute wie bei uns in Thailand zu Hause fühlen.“
Das sieht der MICHELIN Guide ebenso. Deshalb wurde das Restaurant „Kin Dee“ bereits zwei Jahre nach Eröffnung mit einem MICHELIN-Stern ausgezeichnet. Besonders hervorgehoben werden die ganz eigene Idee, die hinter dem Konzept steht, die authentische Küche und das Gespür für stimmige Kombinationen. Für Kambhu kam der Stern überraschend, da sie als ungelernte Köchin einen besonderen Weg eingeschlagen hat: „Normalerweise würde man für ein paar Jahre auf die Kochschule gehen und sich dann im Arbeitsleben die Sporen verdienen. Ich hatte nichts von alledem. Ich habe einfach ein Restaurant eröffnet und wurde sofort Chefköchin. Und innerhalb von zwei Jahren bekam ich einen Stern. Es kam wirklich unerwartet.“ Der Stern gebe ihrer Arbeit und ihrem Küchenteam, welches nur aus Frauen besteht, Glaubwürdigkeit, erzählt sie uns. Er öffne den Horizont für viele Menschen, die daraufhin zu ihr kommen und ihre Kreationen probieren wollen. Dabei hatte Dalad Kambhu schon immer nur ein Ziel: Gerichte zu kreieren, die so köstlich sind, dass man immer mehr davon möchte.
Diesen Drang, sich kreativ auszuleben, entdeckt Kambhu bereits in jungen Jahren: „Ich mag es zu zeichnen, zu skizzieren. Früher habe ich viel Klavier gespielt. Diese Zeit habe ich schon fast vergessen. Ich liebe es einfach, Dinge mit meinen Händen zu tun.“ Heute konzentriert sie sich voll auf ihre Kochkunst. Gekonnt drapiert sie gehobelten Sellerie, gebratenen Spargel oder rohen Fisch in farbenfrohen Arrangements. Ihre Kreationen sehen zart aus. So elegant, dass man kaum glauben möchte, wie kraftvoll die Aromen sind, die sich in ihnen verbergen.
Dabei bedeutet Eleganz nicht Blattgold oder teure Gourmet-Zutaten. In ihrer Küche steht Eleganz für Qualität und die Botschaft, die vermittelt werden soll. Genau wie ein Fahrzeug von AMG: „Es erfüllt seinen Zweck auf elegante Weise.“
Heute wünscht sich Dalad Kambhu, ein Vorbild für junge Frauen zu sein. Sie möchte inspirieren und zeigen, dass es möglich ist, als Frau gegen die bestehenden Strukturen ankämpfen und sich durchsetzen zu können. Sie möchte Grenzen auflösen und Möglichkeiten schaffen.
„Es kann nicht sein, dass Frauen seit Jahrhunderten in jedem Haushalt kochen und den Männern unendlich viel Inspiration geben, und dann werden die Männer Chefköche, lassen aber nicht genug Platz für Frauen in der Branche!“
Sie weiß genau, wie man als angehende Köchin alles erreichen kann und gibt ihren Nachfolgerinnen einen letzten Ratschlag mit auf den Weg, bevor sie sich nach zwei langen Drehtagen von uns verabschiedet:
„Das ständige Streben nach Spitzenleistungen ist für mich ein guter Motivator. Wenn man etwas wirklich will, sollte man es anstreben. Exzellenz bedeutet für mich, nie aufzuhören, es zu versuchen und immer weiterzumachen. Das ist es, was ich jeden Tag tue.“